„hadn‘t gone“ - Tafelanschrieb in der elften Klasse

„Hadn‘t gone“ – Betrachtung eines Tafelanschriebes

In der Schule essen alle Schüler zu einer bestimmten Zeit Mittagessen. Das Essen wird von den Schülern reihum mitgebracht. Die kleinen essen etwas früher, die großen Schüler gegen halb Eins. Wie gewöhnlich betrat ich die Aula der elften Klasse um mit ihnen gemeinsam zu Mittag zu essen.

Und, wie nicht selten, waren auch an diesem Tag an der Tafel noch Anschriebe des vorangegangenen Unterrichts zu lesen. Doch dieses Mal blieb mein flüchtig über die Tafel streifender Blick hängen. Etwa mittig standen nur zwei Worte in weißer Kreide: „hadn‘t gone“.

„hadn‘t gone“

Was für Worte: „hadn‘t gone“. Diese Worte, wie sie dort auf einer, der elften Klasse entsprechend, eher schnell als gründlich gewischten Tafel standen, brachten mich direkt ins Grübeln. Was meinen sie? In welchem Zusammenhang stehen sie?

Ein oberflächlicher Bezug zu den übrig gebliebenen farbigen Flecken an der Tafel wäre eine Möglichkeit. Ich muss grinsen. Diese wohlgeformte Linie aus Kreide – ein Gedanke der Person, die vergeblich mit dem Schwamm über das Brett fegte?

Doch ist schwarz nicht auch die Farbe des Todes? Wie tiefgründig können solche Worte werden. Weiß, mittig platziert unumgänglich auffällig, diese Worte. Umgeben von schleierartig mattweißen Schattierungen bunter Formen früherer Zeit, auf schwarzem Grund. „Hadn‘t gone.“

„hadn‘t gone“ - Tafelanschrieb in der elften Klasse
Diese Worte, wie sie so auf der nicht ganz sauberen Tafel stehen, versetzten mich ins grübeln.

Nun kommen andere Elftklässler dazu; ich kann meine Gedanken nicht weiterführen und beschließe daher ein paar Vokabeln heraus zu suchen und die Schüler auf diesen prächtigen Tafelanschrieb aufmerksam zu machen.
Ein inhaltlich schwieriger Versuch, erinnern diese Worte doch an die gerade erfolgreich überstandene Unterrichtsstunde und die daraus resultierenden Hausaufgaben.

Etwas bleibt übrig

Zuhause komme ich dann dazu, meine Gedanken wieder aufzugreifen und ein wenig weiter zu verfolgen. Doch bald komme ich an einen Punkt, der als eigenständiger Gedanke entfaltet zu werden fordert: Etwas bleibt übrig. Verlässt ein Wesen die Welt wie wir es allgemein wahrnehmen, dann bleibt immer etwas zurück. Ein seidenfeiner, bunter Schleier, der hier und da den Dingen die ganz persönliche Form des gegangenen Wesens gibt. Zurück ins Materielle projiziert können diese Schleier zum Beispiel errichtete Häuser oder gemachte Erfindungen sein. Oder ein zu Lebzeiten mühevoll gestalteter Garten, der die Lebensqualität seiner Umgebung steigerte und dann auch, wie die Häuser oder Erfindungen, die Gesellschaft auf diese Weise ein kleines Stückchen prägte und ihr daher zu einem ein klein wenig anderen Standpunkt verhelfen konnte.

Diese Schleier sind die schönen, über unsere Lebenszeit hinaus bleibenden Dinge und Geschehnisse unseres Lebens.

Schleier besonderer Farbintensität zu hinterlassen, dafür bin ich nun seit zwanzig Jahren am arbeiten. Und ich möchte mich noch weiter dafür anstrengen, so kräftig es mir möglich ist! 🙂


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