Die Lage

Los Gigantes, eine Bergkette westlich von Carlos Paz, wird durch verschiedene bewirtschaftete Hochebenen unterbrochen. In der Ferne erkennt man die höchsten Rücken der Kette.

Ich möchte in diesem etwas längeren Artikel einmal auf meine Wahrnehmungen der Stadt aus den vergangenen Monaten eingehen. Diese Schilderungen sind subjektiv und beziehen sich nur auf Carlos Paz. Ich bin noch nicht ausreichend herumgekommen, dass ich allgemeinere Aussagen machen könnte.

Der Ort Carlos Paz

Landschaftlich

Die Lage der Schule und meines Zuhauses in Carlos PazDie Stadt Villa Carlos Paz liegt an einem aus drei Flüssen gespeistem Stausee. Einer dieser Flüsse wächst aus vielen kleinen Flüssen in den Bergen und schlängelt sich dann durch verschiedene Ortschaften und Städte bis er hier von Süden her durch Carlos Paz fließt und in den Stausee Emabalse San Roque mündet. Auch an meiner Haustür fließt der Fluss San Antonio recht dicht vorbei (2). Aufgrund seines Ursprungs in den Bergen ist der Wasserstand sehr vom lokalen Wetter abhängig. Nach Regenschauern steigt der Wasserstand gut an. Über das Jahr gesehen ergeben sich Wasserstandunterschiede von etwa zwei Metern hier vor meiner Tür, wo das Flussbett gute dreißig Meter breit ist.

Während die Stadt im Süden also durch den Stausee begrenzt wird, sind es im Osten und Westen Bergketten, die die Stadt einengen. Nach Osten hin sind die Berge besonders steil. Las Chicas (dt: die Kleinen), wie sie hier genannt werden, steigen direkt am Stadtrand etwa dreihundert Meter in die Höhe. Wenn man sie besteigt wird man oben von erfrischender Ruhe umgeben – der Lärm der Stadt dringt kaum herauf. Dazu präsentiert sich eine beeindruckende Aussicht.
Im Westen sind es gegen die Chicas eher kleine Hügelketten, die der Stadt eine Grenze geben.

Ein ganzes Stück weiter im Westen erheben sich dann los Gigantes (dt: die Großen). Mit über 2300 m Höhe deutlich höher als Carlos Paz auf 600 Metern.

Besonders charakteristisch: die geraden Straßen.
Die Aussicht von den Chicas über die südlichsten Ausläufer der Stadt Carlos Paz bis zu los Gigantes.

Mir gefällt diese Gegend hier sehr. Jede Bergkette ist anders, die Aussichten überall phänomenal. Besonders spannend finde ich die Unterschiede der Flora. In den Tälern, dort, wo sich das Regenwasser sammelt, stehen hohe, grüne Bäume. Auf den Bergen selber Steppengras, Sträucher und dorrende Bäumchen. An manchen Berghängen ist bei genauer Betrachtung ein Farbunterschied im Grün zwischen den verschiedenen Seiten er hänge zu erkennen.

Doch weiß ich nicht, wie sich die Flora im weiteren Verlauf des Jahres entwickeln wird. Der sehr regenreiche Sommer und der trockene Winter haben große Auswirkungen auf die Landschaft. Ich bin gespannt, wie sich die Farben hier im Jahresverlauf gestalten werden.

Die Schule Sol de Oro befindet sich in der nächsten Siedlung am westlichen Seeufer, Villa Santa Cruz del Lago, einem neuen Siedlungsgebiet.
Eine interessante Gegend, weil dort jetzt im Sommer überall die noch nicht fertiggestellten Häuser weiterwachsen. Es gibt dort auch noch keine Hausnummern, deshalb kann man die Adresse der Schule am besten mit der nächstgelegenen Straßenkreuzung angeben. Die Schule liegt also al esquina (dt: Ecke) Los Tales y Las Lilas.

Von der Schule aus quasi diagonal über den Stausee geblickt liegt die Wohnung Merles Gastfamilie (3) – kaum drei Minuten vom Mittelpunkt Argentiniens entfernt. An diesem Punkt befindet sich der Playa Federal mit herrlicher Aussicht auf den Lago.

carlospaz_map_2
Die Lage der Schule (1), des Hauses meiner Gastfamilie (2) und das der Merles (3). Emma hält sich in Villa Allende (4) auf.

Auf dem Satellitenbild ist rechts noch die etwa eine halbe Fahrstunde entfernte Stadt Córdoba, zweitgrößte Stadt Argentiniens, zu erkennen.

Die Straßen

Nun möchte ich auf die Straßenstruktur argentinischer Städte eingehen. Vorweg sei jedoch noch erzählt, dass jede Straßenbiegung üblicherweise ausgeschildert ist. Das beschreibt den Verlauf der Straßen hier vermutlich am besten – denn solange nicht gerade ein Berg oder Fluss im Wege ist, gibt es ja eigentlich keinen Grund eine Kurve in den Straßenverlauf zu setzten; folglich führen sie in der Regel schnurgeradeaus.
Diese Art der Straßenführung findet sich auch im Stadtbild wieder. Es gibt drei Verkehrsachsen, die sich hier in Carlos Paz treffen. Von diesen führen kleinere Straßen rechtwinklig ab. Parallel zu den Hauptachsen verlaufen ebenfalls Straßen, sodass – mit wenigen Ausnahmen – ein nahezu gleichmäßiges Raster aus Straßen entsteht.

Die Hauptstraßen und die stärker befahrenen Seitenstraßen sind geteert, die anderen Straßen einfach aus Sand. Dabei darf man sich die Straßen nicht wie in Deutschland üblich vorstellen. Die Straßen sind grundsätzlich in ihrer Breite viel großzügiger bemessen. Eine Anwohnerstraße ist nicht schmaler als drei Spuren – egal ob sandig oder geteert.

Gossen gibt es nicht, die Straßen sind ein wenig gewölbt; in Tälern gibt es dann quer zur Straße verlaufende Rinnen zum nächsten Bach. Durch die vielen Hügel in der Stadt kommt es aber in den verschiedenen Tälern bei Regen zu nicht unerheblichen Wassermassen.
So zum Beispiel vor wenigen Tagen in der Schule. Am morgen hatte eine Baumaschine die Sandstraße wieder geebnet und die vom Wasser eingegrabenen Rinnen beseitigt. Gegen Mittag dann wandelte sich die sechs Meter breite Straße nach einem einstündigen Regenguss in einen Fluss, der seinen Namen verdient hat. Einige Zentimeter hoch war der Wasserstand auf der vollen Breite der Straße. Parkende Autos wurden bis zur Felge eingespühlt.

Während die Straßen viel großzügiger bemessen sind, sind die Bürgersteige der Seitenstraßen dafür kaum begehbar – wachsen auf ihnen Bäume und stehen Bushaltestellen. Wenn du alleine Unterwegs bist, ziehst du nicht selten das Gehen auf der Straße vor; bist du zu zweit oder mehreren unterwegs, bleibt dir häufig keine andere Wahl.

Generell erinnern mich die Straßen und die zumeist eingeschossigen Flachdachhäuser ein wenig an Italien.

Das Hausnummernsystem

Jede Stadt hat einen Punkt Null. Von dem Aus werden die Hausnummern nach Abstand in Metern vergeben. Das unser Haus die Nummer 2343 trägt, bedeutet also, dass wir uns über zwei Kilometer von besagten Punkt entfernt befinden. Daher gibt es nicht wie bei uns fortlaufende Nummern, sondern du kannst mit deiner Hausnummer und der Hauptverkehrsachse (als Richtung) angeben, wo du wohnst.
Freilich gibt es auch hierbei Ausnahmen und ich fand Adressen schon nicht, bei denen die Nummern eben nicht kontinuierlich liefen. 😀

Ein anderes Problem, das sich durch dieses System ergibt, sind argentinische Entfernungsangaben. Man spricht von cuadras (z. B. tres cuadras bis zur nächsten Bushaltestelle). Cuadra bedeutet Häuserblock. Doch da ein Häuserblock im Ideal etwa hundert Meter Seitenlänge misst, sind 100 m ebenfalls eine gültige Übersetzung. Nun sind die Straßenabstände nicht immer 100 m. Dadurch weißt du nun aber nicht, ob du die Distanz (anderthalbfach) in Metern laufen oder die Querstraßen zählen sollst.

Die Lichter bei Nacht.

Carlos Paz‘ Straßenlaternen leuchten in der Regel gelb. Die Laternen stehen hier in größerem Abstand als in Deutschland üblich, um Schattenfelder zu vermeiden sind sie etwas höher. Dadurch dass die Häuder häufig nur ein Stockwerk haben ergibt sich so bei Nacht dann ein leuchtendes, gerastertes Meer aus gelborangen Lichtern, belebt durch die hier und da leuchtenden Fenster der Häuser und unterbrochen durch wenige große Bäume.


Beitrag veröffentlicht

in

,

von

Kommentare

Eine Antwort zu „Die Lage“

  1. Lukas

    Ich kann es mir durch Deine Beschreibungen sehr gut vorstellen!
    Klingt doch sehr anders als die Welt, die ich kenne und deshalb umso spannender!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert