Widerstand?

Was ist Widerstand?

Mit dieser einfachen Frage endet das Anmeldeformular für das Ethnologie-Symposium. Eine kleine Aufforderung, doch im Vorfelde der Tagung bereits Gedanken zum Tagungsthema „Widerstand – einfach machen, aber wie?“ zu bewegen. Ich habe einige Tage darüber nachgedacht und die Frage auch vor dem Hintergrund eines Seminars zu „Macht“ bedacht.

Ich möchte mal mit der folgenden Betrachtung beginnen, in Vorfreude auf die Tagung und wohl wissend, dass ich nach der Tagung sicher deutlich mehr zum Thema äußern und vielleicht auch manches anders formulieren kann:

Heraustreten aus der Kraftlosigkeit

Widerstand beginnt für mich im Heraustreten aus dem Momentum der Kraftlosigkeit. Erst in dem Moment, in dem ich heraustrete aus einer gänzlichen Gefügigkeit, gebe ich überhaupt die Chance der Kraftausübung auf mich und beginne ab hier nach dem Gesetze der Physik in Widerstand zu treten, denn keine Kraft kann ohne Gegenkraft bestehen.

Es ist eine idealisierte Betrachtung des Vorgangs, das möchte ich hier unterstreichen. Denn in den Überlegungen, die James Scott 1990 in seinem Buche „Domination and the Arts of Resistance“ unter der Beschreibung einer „mask“, einer Theatermaske, anstellt, findet sich bereits auch in der Position des Untergebenen (‚kraftlosen‘). – Eine gewisse Kraftbemühung im Prozess des sich als gefolgsam-sein-Darstellens. Der willentliche Prozess sich in eine floating-Position, eine widerstandslose Form zu begeben (also in eine Lebensweise, die der Obrigkeit keinerlei Anhaltspunkt zur Kritik ermöglicht) geschieht nicht ohne Kraftaufwand. Den selben latenten Kraftaufwand, den diese floating-Position zu ihrer Einnahme erfordert, mag die Macht-innehabende Position ausüben, schon durch das im-Besitz-sein dieses Titels. Jede hierüber hinausreichende Kraftaufwendung ist erst möglich und notwendig, wenn eine der beiden Parteien (übergeordnete und untergebene) beginnt, den aktuellen Zustand dieser Schwebe-Konstellation berühren zu wollen. (Ja, schon ein Vordringen in die Beschaffenheitsbetrachtung dieser Konstellation mag die Nicht-Kraftverhältnisse verwerfen.)

Menschliche Schaffenskraft und Aufrichte

Doch was, wenn ich Widerstand gegen zwei konträre Kräfte leiste (sagen wir beispielsweise eine arimanische und eine luziferische)?
Woher kommt diese seltsame Kraft, die einem aufrechten Menschen inne wohnt?

Widerstand im pysikalischen Kontext von Kraft und Gegenkraft. Zerrkräfte wirken nach außen, Bildekräfte nach innen.
Nach außen arbeitende Zerrkräfte erwirken innenwärts strömende Kraft, die frei genutzt werden kann.

Ich habe diese Idee in der nebenstehenden Skizze versucht zu verdeutlichen. Zwei entgegengesetzte nach außen ziehende Kräfte erzeugen im Individuum nach innen strömende Gegenkräfte, die in einer sich verschlingenden aufrechten Kraft münden. Je bewusster sich der Mensch in dieses Kraftfeld stellt, desto getragener kann er von den äußeren Zerrkräften schöpfen.

Das kommt dem Spiel des Faust nach, als dieser sich auf den Packt mit Mephisto einlässt. Doch liegen hier die Kraftpole nicht in zwei verschiedenen Körpern (innen und außen, dem des Faust und den Verkörperungen des Mephisto), sondern liegen die Kräfte allesamt außerhalb und bloß die Spiegelungen ihrer selbst finden sich im Zentrum, im Innern des Menschen, der sich dort hineingestellt hat.

Was ist Widerstand?

So weit möchte ich die Skizze hier einmal führen und bin gespannt, was Du hierzu in den Kommentaren erwidern oder ergänzen magst. 🙂


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